In dieser Blogserie In 3 Schritten zum Dashboard sehen wir uns an, wie wir strukturiert und effektiv zu einem robusten und praxistauglichen Dashboard kommen.
In Schritt 2 geht es jetzt um die Konzeption von Dashboards zur Steuerung von Unternehmen. Da dieser Schritt sicherlich der abstrakteste und anstrengendste ist, wird in der Praxis gerne auf die Konzeption verzichtet und häufig gleich direkt mit der Umsetzung im Dashboard-Tool losgelegt. Dagegen ist nichts einzuwenden, die Konzeption kann im Falle eines unbefriedigenden ersten Dashboard-Resultats immer noch nachgeholt werden.
Wir unterteilen diese Phase in die (1) fachliche, die (2) visuelle und die (3) technische Konzeption.
1. Fachliche Konzeption ("Welche Kennzahlen")
a. Grundsatzentscheidung, was auf 1 Dashboard kommt
Wir haben in Teil 1 dieser Blogserie schon gehört, daß es eine Vielzahl von Dashboards gibt. In der Regel ist es keine gute Idee, ein einziges Dashboard für das ganze Unternehmen anzustreben, sondern als Best Practice hat sich 1 Dashboard pro Thema herausgebildet (hier eine Case Study einer Firma mit 60 Dashboards). Ein Dashboard visualisiert also Daten aus verschiedenen (heterogenen) Datenquellen, aber immer nur zu genau einem Thema (bspw. Finanzen, HR, Marketing, usw.) und immer nur auf 1 Display / 1 Seite. Daher ist der allererste Schritt die Grundsatzentscheidung, welchem einzigen Thema sich das Dashboard widmet.
b. Auswahl der Kennzahlen ("Metrics")
Ein Dashboard darf natürlich nur Kennzahlen zeigen, die für die Steuerung eines Fachbereichs bzw. eines Themas direkt oder indirekt relevant sind (also Entscheidungen triggern). Die Kennzahlen eines Dashboards können folgendermaßen charakterisiert werden:
- branchen-, geschäftsmodell- oder firmenspezifische Metriken
- KPIs (Key Performance Indicators) und ergänzende Kennzahlen
- leading und lagging Indicators
- beeinflußbare und nicht beeinflußbare Indikatoren
Ideen und Anregungen zur Kennzahlenauswahl können natürlich ausgiebig in der Fachliteratur und spezialisierten Seminaren gefunden werden.
Für etablierte Unternehmen ist insbesondere das Handbuch der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen / Key Performance Indicators für die erfolgreiche Steuerung von Unternehmen von Losbichler/Eisl/Engelbrechtsmüller empfehlenswert. Hier ist neben einer sehr guten Einführung in das Performance Measurement und der Vorstellung von Studienergebnissen ein großer Bereich den Case Studies zu insgesamt 10 Fachbereichen ("Performance Measurement entlang der Wertschöpfungskette") als auch zu insgesamt 15 Branchen ("Kennzahlen in der Unternehmenspraxis") gewidmet (zum Inhaltsverzeichnis).
Für Startups und rasch wachsende Unternehmen ist insbesondere das Werk Lean Analytics / Use Data to build a Better Startup Faster von Croll/Yoskovitz (zum Inhaltsverzeichnis). Demnach zeichnet eine gute Metrik aus:
- Understandable: A metric should be understood by everybody who has access to it. Can you explain the metric to a stranger, and will they be able to understand how you’re doing?
- Comparative: Metrics should ideally be able to be compared over periods of time or against industry benchmarks. E.g. Active users this month.
- A Ratio or Rate: Absolute numbers can be useful, but rates and ratios generally provide a bigger context. E.g. Percentage of users who are active this month.
- Behavior-changing: Can someone take meaningful action based on how the metric changes? If not, then this metric may simply be noise.
Das führt uns direkt zum exzellenten Content des Startups Geckoboard (GB), die diese Definitionen direkt in das Whitepaper Data Dashboards: Best Practices aufgenommen haben. Hier weiterer nützlicher Content des Anbieters zum Themen Kennzahlen/KPIs:
- kpi-examples
- defining-kpis-how-to-choose-metrics-that-inspire-action
- kpi-waterfall-how-to-make-your-entire-company-goal-focused
- choosing-metrics-how-to-keep-your-kpis-simple
- leading-lagging-or-lost-how-to-find-the-right-key-performance-indicators-for-your-sales-team
- should-i-have-this-kpi-on-my-dashboard-ipa-rule
- 4-essential-steps-to-designing-a-dashboard-that-inspires-action
- marketing-metrics-we-track-and-why
c. Definition der benötigten Granularitäten
Die ausgewählten Kennzahlen eines Dashboards müssen jetzt hinsichtlich ihrer zeitlichen und organisatorischen Granularität sowie der relevanten Datenkategorien grob definiert werden:
Kennzahl | Zeitliche Granularität | Organisatorische Granularität | Datenkategorien |
---|---|---|---|
Metric #1 | Monatswerte für lfd. Jahr | Firma, alle Filialen | IST, Abweichung PLAN |
Metric #2 | Tageswerte für lfd. Jahr und VJ | Firma, Filialen Typ 1 | IST, Abweichung VJ |
Metric #3 | Tageswerte für lfd. Jahr und VJ | Firma, Filialen Typ 2 | IST, Abweichung VJ |
usw. | ... | ... | ... |
Auf diese Weise wird die Grundlage für die möglichen Visualisierungen und auch die späteren Filter / Interaktionen erarbeitet.
2. Visuelle Konzeption
Die Gestaltung eines Dashboards hat grundsätzlich viel gemeinsam mit der Gestaltung von Berichten und Adhoc Analysen, bei näherer Betrachtung handelt es sich aber sehr wohl um eine eigene Disziplin. Der Umstand, daß das Dashboard auf 1 Display / 1 Seite passen muß, laufend aktualisiert wird und ohne große Erklärungen/Kommentare auskommen muß, stellt den Gestalter eines Dashboards vor große Herausforderungen.
a. Grundsatzentscheidung zur Typauswahl
Zahlreiche Ideen haben wir schon in Teil 1 dieser Blogserie gesehen, hier eine Ableitung von 4 visuellen Archetypen für Dashboards:
Typ #1: Excel Dashboard mit Grafiktabellen (KPI Scorecard und Rankings, Quelle)
Typ #2: Excel Dashboard mit Multiple-Diagrammen (Vergleich von Entwicklungen, Quelle)
Typ #3: Datawall mit Real-time Daten ("always on", Quelle)
Typ #4: Mobiles Dashboard für touch-gesteuerte Devices ("responsive")
b. Grundsatzentscheidung zur Anwendung eines Notations- und Visualisierungskonzepts
Das Notations- und Visualisierungskonzept wird in aller Regel unterschätzt, es ist auch nicht weiter schlimm, erst mal ohne einem solchen loszulegen. Die Dashboards werden dann tendenziell zu bunt, zu heterogen und vor allem unintuitiv. Die Dashboards müssen dann eher "gelesen und studiert" werden und können weniger auf einen Blick oder im Vorbeigehen aufgenommen werden.
Wir nutzen das IBCS® Framework als Basis für unsere firmenspezifischen Notations- und Visualisierungskonzepte, Visualisierungssoftware wie Zebra BI und chart-mhttp://bi-standards/visualisierungskonzept-styleguide/e untersützen bei der praktischen Anwendung der definierten Regeln (in Excel).
c. Gestalten der einzelnen Visuals ("Widgets")
Die Auswahl der passenden Visualisierung pro Kennzahl / Kennzahlengruppe ist eine kleine Wissenschaft für sich, wir haben das Thema mit dieser 2-teiligen Blogserie bereits grob strukturiert:
Die Liste der Metrics aus Punkt 1 wird jetzt erweitert um die Zuordnung zu einem Visual - 1 oder mehrere Metriken können in einem Widget visualisiert werden - sowie einer groben Definition des Visuals (Scorecard, Balkengrafik, Geo-Visualisierung, usw.):
Kennzahl | Visualisierung |
---|---|
Metric #1 | 12-Monats-Säulengrafik mit IST-Werten und Planabweichungen |
Metric #2 | Scorecard 1 (mit Monats-Sparkline und Veränderung zum Vorjahr) |
Metric #3 | Scorecard 1 (mit Monats-Sparkline und Veränderung zum Vorjahr) |
usw. | ... |
Natürlich sollte an diesem Punkt bereits eine erste Idee existieren, welches Tool für das Dashboard eingesetzt werden soll, da jedes Tool ein bestimmtes Set an Visualisierungen unterstützt, kein Tool aber alle Darstellungsformen beherrscht. Das Tool Power BI Desktop bietet ein sehr breites Set an Default-Visuals, welche über die Custom Visuals Gallery und die R-Visuals noch deutlich erweitert werden können:
Das Tool Geckoboard hingegen setzt auf wenige und dafür stark vorkonfigurierte Dashboard-Visuals:
d. Gestalten des Rasters ("Grid")
Entscheidend und häufig unterschätzt für ein gelungenes Dashboard ist die Entscheidung für einen zugrundeliegenden Raster. Also welche Formate ein Visual annehmen kann, wie viel Freiraum zwischen den Visuals bleiben muß und wie viele Visuals maximal Platz haben.
Bei excel-basierten Dashboards ist die Gefahr einer optischen Entgleisung besonders groß, da die Versuchung "einfach mal loszulegen" hier groß ist. Ein selbst auferlegtes Raster zwingt von Anfang in ein "information follows space"-Denken, es kann also nicht mehr an Information gezeigt werden als Platz vorhanden ist (die Information muß also an den vorhandenen Platz "herangearbeitet" werden). Notationskonzepte wie jenes von Prof. Hichert transferieren wertvolles Know-How, wie Excel-Raster am besten definiert werden, damit der Bericht bzw. das Dashboard bei Beddarf bspw. ohne Verzerrungen nach PowerPoint verknüpft und präsentiert werden kann (beachten Sie hier das Gesamtformat von 960 x 720 Pixel):
Excel-basierte Visualisierungstools wie Zebra BI und chart-me leisten auch wertvolle Dienste bei der dynamischen Erzeugung des Rasters und damit Berichte und Dashboards von vornherein zu strukturieren. Cloud-/browser-basierte Dashboard Services arbeiten nach unserem Wissen ohnehin alle mit einem vordefinierten Raster.
e. Gestalten der Dashboard-Komposition ("Visual Hierarchy")
Hier werden schließlich die einzelnen Visuals am Raster des Dashboards angeordnet und der Erfolg eines Dashboards ganz wesentlich bestimmt. Hier ist wieder der Content des Startups Geckoboard extrem nützlich, im kurzen aber großartigen Blogbeitrag Dashboard Design for Non-Designers wird das Konzept der Visual Hierarchy sehr einprägsam vorgestellt und anhand eines Muster-Dashboards umgesetzt:
In eigenen Worten und etwas angereichert lauten die Regeln:
- Rastern - eindeutige Größenklassen und klare Abgrenzung jedes einzelnen Visuals (siehe auch voriger Punkt)
- Skalieren - ein großes Widgets bekommt mehr Aufmerksamkeit
- Hervorhebung - ein Widget, das mit den Kanten bricht, alleine steht oder nur etwas mehr Abstand hat, bekommt mehr Aufmerksamkeit
- Differenzierung - ein Number-Widget inmitten von Liniendiagrammen bekommt mehr Aufmerksamkeit
- Farben - wenige Farben gezielt einsetzen, insbesondere Einhaltung der rot-grün Logik
- Schmuck vermeiden - unnötige (Hintergrund-)Bilder, fette Rahmen, 3D-Effekte, unnötige Farben weglassen
Auch bei unseren excel-basierten Dashboards legen wir viel Wert auf die bewußte Anwendung dieser Gestaltungsregeln:
3. Technische Konzeption
a. Grundsatzentscheidung zur präferierten Technologie
Hier geht um die Fixierung und Argumentation der technologischen Präferenzen und ev. Zwänge im Unternehmen wie
- Excel oder Cloud-Service
- Print/PDF oder mobile Apps
- always-on oder wöchentliche Aktualisierung
- usw.
b. Feinkonzept zur technologischen Umsetzung
Die technische Konzeption bildet die Brücke zur Umsetzung und zum laufenden Betrieb des Dashboards. Folgende Fragen sind jedenfalls zu klären:
Bereich | Entscheidungen |
---|---|
Empfänger ("User und Usergruppen") |
Wie viele Empfänger? + Wer erhält aktiven, wer passiven Zugriff? + Dürfen alle Empfänger alle Daten des Dashboards sehen? |
Verteilung ("Tool und Devices") |
Präferenzen für das Frontend-Tool + Cloud ja/nein + Excel ja/nein + SharePoint ja/nein + Bereits vorhandene Tools im Unternehmen nutzbar?Zugriffsarten und Devices + Desktop (Browser, Programm) + TV/Datawall (Vollbildmodus) + Smartphone (mobile Apps) + Smartwatch (mobile Apps) + (Papierausdruck)Interaktivität + Interaktives Dashboard (Filter, Drillthrough, usw.) + Parametrisierter Ansehen (ohne direkte Interaktion) + Statisches Dashboard (Image / PowerPoint / PDF / E-Mail / Papierausdruck)Aktualisierung des Dashboards + Automatische Aktualisierung ("Always on") + Manuelle Aktualisierung (bei Bedarf durch User) |
Datenlieferung ("Aktualisierung") |
Häufigkeit der Datenaktualisierung + Real-time (Full vs. Stream) + Intervall (stündlich/täglich/wöchentlich/monatlich)Datenlieferung + aus operativen Vorsystemen + aus Datawarehouse/Datamart(s) + aus Excel FilesDatenmengen + Relevante Datenmengen (pro Datenquelle)Standardfilter/Rollierung + Zeitliche Rollierung (Heute, Letzte-30-Tage, usw.) + Plan Rollierung (Anwendung des aktuell gültigen Plans, Forecasts usw.) + Filter auf Companies, Abteilungen, Mitarbeiter, usw. |
Datenmodell ("Dynamik") |
Anreichern der Basisdaten um Business Logik + Multidimensionale Berechnung von Kennzahlen (Counts und Ratios, Rangermittlung, ABC-Segmentierungen, Year-to-Date/Rolling-12-month, usw., IST-PLAN-Abweichungen, usw.) + Benutzerspezifische Datenfilter für die Verteilung des Dashboards, wenn nämlich nicht alle Empfänger des Dashboards alle Daten sehen dürfen bzw. nur ihre (Abteilungs-)Daten sehen sollen ("Row Level Security") + Verknüpfen von Fakten- und Dimensionstabellen zum analysefähigen Datenmodell (interaktives Filtern der Dashboard-Datenbestände in zeitlicher Hinsicht, auf Abteilungen, Mitarbeiter, Produkte, usw.) + Analysefähigkeit bis auf den Einzeldatensatz und Konnex zum Standardreporting im Unternehmen |
Weiterführende Unterstützung
Literatur zum Thema Dashboarding gibt es unzählige, empfehlen möchten wir das für uns wegweisende Werk Information Dashboard Design von Stephen Few (und auch die zweite Auflage). Auch wenn man sich nicht streng an die Vorgaben des Buches halten möchte, dann ist es trotzdem sehr wertvoll, die Argumente für Dos und Don`ts zu kennen, um die eigene wertvolle Zeit so gezielt wie möglich einsetzen zu können. Hier ist auch nochmals eine schöne Sammlung an gut gelungenen und weniger gelungenen Dashboards ("Schreckenskeller") enthalten.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Klärung Ihrer konzeptionellen Fragen, bei der Technologieentscheidung und bei der Umsetzung Ihres Dashboards / Ihrer Dashboards. Jede Form der Unterstützung ist möglich, von der kostenlosen telefonischen Erstberatung über Trainings und Coachings bis zum schlüsselfertigen Dashboard-Projekt - ganz nach Ihren Vorstellungen.
[contact-form-7 id="43392" title="Formular Dashboard-Themen besprechen"]